Herausgabe der Ehewohnung - Titel gegen beide Ehegatten

§ 885 ZPO regelt das Verfahren bei der Zwangsvollstreckung zur Herausgabe  einer unbeweglichen Sache. Die Vorschrift ist einschlägig bei der Herausgabe  von Grundstücken oder Teilen hiervon, z.B. einer Wohnung.

Üben Eheleute gemeinsam das Besitzrecht an den Räumen aus, besteht Mitbesitz  (vgl. BGH NJW 1954, 918). Für den Fall der Räumungsvollstreckung war  in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob hierfür ein Räumungstitel  gegen beide Eheleute erforderlich ist oder nicht. Zum Teil wird noch angenommen,  dass es bei gemieteten Räumen darauf ankäme, wer als Mieter sein Besitzrecht  vom Gläubiger ableitet. Für den Fall, dass nur ein Ehegatte den Mietvertrag  abgeschlossen habe, sei lediglich ein Titel gegen diesen erforderlich, selbst  wenn der andere Ehegatte als Mitbesitzer anzusehen sei, weil sein Mitbesitz aus  dem Mietrecht des Ehepartners abgleitet werde und durch das eheliche Zusammenleben  begründet sei (vgl. OLG Frankfurt MDR 1969, 853; LG Oldenburg DGVZ 91, 26;  LG Kiel WuM 1983, 304; Zöller, ZPO, 23. Aufl., Rdn. 6).

Die gegenteilige, nunmehr wohl herrschende Meinung vertritt demgegenüber  die Auffassung, dass es nicht darauf ankomme, wer als Mieter sein Besitzrecht  vom Gläubiger ableitet. Vielmehr könne dies durch Aufnahme des Ehegatten,  die vom Vermieter zu dulden ist, abgeleitet werden. Räumungsvollstreckung  erfordere daher einen Vollstreckungstitel gegen beide Ehegatten (vgl. OLG Oldenburg  MDR 1991, 968; OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 715; LG Mannheim NJW-RR 1993, 147; LG  Oldenburg DGVZ 98, 10; Zöller a.a.O.).

Lediglich wenn besondere Umstände vorliegen, so etwa bei Getrenntleben in  der Ehewohnung, sei eine andere Beurteilung angebracht (BGHZ 12, 380).

Das OLG Jena hat in einem Beschluss vom 16.1.2002 - 6 W 10/02 - diese Problematik  noch einmal aufgegriffen und sich der herrschenden Auffassung angeschlossen, dass  es zur Vollstreckung eines die Ehewohnung betreffenden Herausgabeanspruchs eines  Titels gegen beide Ehegatten bedürfe. In seinen Entscheidungsgründen  hat das OLG Jena u.a. ausgeführt:

“Die sofortige weitere Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers ist  nach den hier gem. § 26 Nr. 10 EGZPO maßgebenden §§ 793 Abs.  2, 568 Abs. 2, 577 ZPO a.F. an sich statthaft und auch sonst zulässig. Der  neue selbständige Beschwerdegrund in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts  im Sinne des § 568 Abs. 2 S.2 ZPO a.F. besteht für den Vollstreckungsgläubiger  darin, dass das Landgericht (Mühlhausen) die anderweitige Entscheidung des  Amtsgerichts aufgehoben und die Räumungsvollstreckung gegen den Ehemann der  Vollstreckungsschuldnern für unzulässig erklärt hat.

In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde aus den im Wesentlichen  zutreffenden Erwägungen des Landgerichts, denen sich der Senat anschließt,  keinen Erfolg. Allerdings ist das Landgericht, verursacht möglicherweise  durch das Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers im Erstbeschwerdeverfahren,  unzutreffend von einem Mietvertrag zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner  ausgegangen. Wie sich aus dem Vollstreckungstitel, nämlich dem Urteil des  Amtsgerichts Mühlhausen vom 1.1.2000 (3 C 314/99) ergibt, resultiert die  Räumungsverurteilung vielmehr daraus, dass der Vollstreckungsgläubiger  von einem mit der Vollstreckungsschuldner abgeschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag  wirksam zurückgetreten ist. Für die Frage, ob für die Räumungsvollstreckung  ein Räumungstitel gegen beide Eheleute erforderlich ist, kommt es indessen  nicht darauf an, auf welcher Art von vertraglicher Beziehung ursprünglich  das Besitzrecht eines der beiden Ehegatten gegenüber dem Gläubiger beruht  hat (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 22. Auflage, § 885 Rn. 6 m.w.N.).  Entscheidend ist vielmehr, dass Eheleute jedenfalls bei ungestörter Ehe die  Herrschaftsgewalt über die Räume der gemeinsamen Ehewohnung auch gemeinsam  ausüben, also Mitbesitzer sind (vgl. BGHZ 12, 380, 398 ff.). Der Senat tritt  daher der vom Landgericht vertretenen und inzwischen wohl herrschenden Meinung  bei, dass im Regelfall (zu Ausnahmen vgl. Zöller/Stöber, a.a.O.) beide  Ehegatten gleichberechtigten und eigenständigen Mitbesitz an der Ehewohnung  ausüben, so dass es zur Vollstreckung eines Titels gegen beide Eheleute bedarf  (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 715 m.w.N.; OLG Köln WM 1994, 285 m.w.N.;  KG NJW-RR 1994, 713 (= WM 1994, 32) m.w.N.; Zöller/Stöber a.a.O. m.w.N.;  aA. OLG Hamm NJW 1956, 1681; OLG Köln NJW 1958, 598). Der Senat teilt die  Auffassung des Landgerichts, dass es dem Wesen der Ehe widerspräche, denjenigen  der beiden Ehegatten, der nicht Partner des Vertragsverhältnisses mit dem  Gläubiger ist, lediglich als Besitzdiener seines Ehegatten mit der Folge  anzusehen, dass gegen ihn ein Räumungstitel nicht erforderlich wäre  (vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl. § 885 Rdn. 8).”